Mittwoch, 25. Februar 2015

Mein erstes Gebet...

...hat mir meine Großmutter beigebracht. Es lautet:

Lieber Gott, mach mich fromm,
daß ich in den Himmel komm’!

Mittwoch, 18. Februar 2015

Noch was Unglaubliches

Die Tiberenten-Nutzeranalyse für Rom seit 1. Februar:
23 Besuche aus der Stadt insgesamt
— davon 2 aus der Vatikanstadt!! :-O

Aschermittwochsszenen

In der Schülermesse

Personen: drei sehr geschwätzige jugendliche. ich.

Szene: Aschermittwoch. Eine typische Basilica minor im Südwesten Berlins, gefüllt mit Schülern jedes Alters; die Kommunion ist vorbei, die Orgel spielt ein modernes Danklied mit vielen Synkopen, ungewöhnlichen Harmonieen und sinnlosem Text, bestehend aus Partizipien; darum singt niemand mit. Hinter mir befinden sich drei sehr geschwätzige jugendliche und schwätzen.

jugendlicher 1 tippt mich an. He, Meister! Warum sind Sie eben nicht mit nach vorne gegangen?
ich. Weil ich’s am Sonnabend nicht zur Beichte geschafft habe.
jugendliche 2 grinst. Wie? Darf man dann etwa nicht zur Kommunion?
ich. Nein.
die drei jugendlichen blicken einander an. Kraß! Stimmt ja! Scheiße!
jugendlicher 1 zu mir. Aber das macht doch heute keiner mehr, oder?
ich. Wollt ihr lieber machen, was alle machen, oder wollt ihr lieber machen, was richtig ist? So, und jetzt ist hier mal bitte Ruhe im Karton!

Etwas später.

jugendlicher 3. Habt ihr schon mal gebeichtet?
jugendliche 2. Klar, du Hirni! Als wir zur Kommunion gekommen sind – da warst du doch auch bei!
jugendlicher 3. Ich trau’ mich das nicht.
jugendlicher 1. Du Baby! Dann kommen wir eben mit!
ich beiseite. Mission accomplished. :3




Nach der Messe

kaplan. Gesegnete Fastenzeit! Und bleiben Sie standhaft, wenn die Leute sagen, Sie hätten Dreck auf der Stirn! Seien Sie ein Zeichen!
ich. Alles klar, Herr Kaplan!

Draußen.

bäckereifachverkäuferin. Sie haben da Dreck uff der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

bettler. Du hast ja Dreck uff der Stirn!
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

alte dame. Sie haben etwas auf der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

busfahrer. Sie haben da Dreck uff der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

kind im bus. Papa, warum hat der Mann Dreck auf der Stirn?
vater. Weiß ich auch nicht.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

passant mit hund. Der beißt nich. Und Sie haben da Dreck uff der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

frau von der wohnungsvermietung. Wenn ich Ihnen das sagen darf: Sie haben da Schmutz auf der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

hausmeister. Sie haben da Dreck uff der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

nachbar. Na, Herr Nachbar? Da kommt Er ja schon wieder anjeloffen! Wieder nüscht zu tun? Aber dreckig hat Er sich jemacht – da: uff Seiner Stirne.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

mitbewohner. Du hast Dreck auf der Stirn.
ich. Das ist ein Aschenkreuz.

ich blicke in den Spiegel. Oh, was hab’ ich denn da auf der Stirn? Ach ja…!

Sonntag, 15. Februar 2015

Kollekte vom Sonntag Quinquagesima: Philologische Betrachtung

Joseph Fay: Gretchen im Kerker;
Jllustration zu Goethes Faust II. Lithographie (1846).
Dies sollte eigentlich ein Kommentar zu Tarquinius' ausgezeichnetem Beitrag zu der obgedachten Kollekte vom Sonntag Quinquagesima (in der außerordentlichen Form) werden. Er wurde aber zu lang, so daß ich ihn hierher verlagert habe. Überhaupt habe ich mir gedacht, möglicherweise, falls daran Interesse besteht, in lockerer Folge eine kleine Serie philologischer Betrachtungen zu verschiedenen Texten hier einzustellen. Dazu gibt doch dies hier, so denke ich mir, einen guten Einstand und Lockerungsübung ab. Ich freue mich auf Anmerkungen und Kritik!


Text der Kollekte von Quinquagesima:
Preces nostras, quaesumus, Domine, clementer exaudi: atque, a peccatorum vinculis absolutos, ab omni nos adversitate custodi.
Deutsche Übertragung nach Anselm Schott:
Wir bitten Dich, o Herr: erhöre gnädig unser Flehen; löse uns von den Banden der Sünde und behüte uns vor allem Unheil.

Wohlan denn! Zunächst einmal baue ich einen kleinen Cliffhanger ein und sorge für ein wenig suspense: das hat nämlich der Verfasser der Kollekte auch getan, indem er darin nicht nur meisterhaft mit den Wortbedeutungen spielt, sondern die ganze Bitte meisterhaft mit einer herrlich paradoxen Pointe beschließt, die das ganze Verhältnis von Christentum und Welt in sich trägt. Aber davon – suspense! – weiter unten.

Zunächst zum Aufbau: die Kollekte enthält en miniature nur die wichtigsten Teile der Bittoration, nämlich Anrede (domine) und Bitte. Der Inhalt der Bitte aber besteht nicht wie sonst oft aus einer Bitte und einer Folgerung, sondern eigentlich aus zwei Bitten, deren eine – die zeitlich vorausgeht, nämlich die Lösung von den Banden – mittels einer Partizipialkonstruktion (in Schotts Übersetzung beigeordnet wiedergegeben) in die andere, die Hauptbitte im Hauptsatz, eingefügt ist.

Inhaltlich wird im groben das Typische erbeten, nämlich die Beter von den Sünden zu reinigen und sie im Sakrament zu stärken; aber das können andere besser erklären als ich – hier wollen wir uns mit dem Sprachlichen beschäftigen, dem Sinngehalt der Äußerung, die nicht nur die reine Bedeutung (Denotation) der Worte ins sich beschließt, sondern vor allem auch die Nebenbedeutungen, Assoziationen, die an ihnen hängen, die Konnotation, die im Beter hervorzurufen in rhetorischen Kleinstkunstwerken wie den Kollekten durchaus beabsichtigt ist und zu ihrer erhebenden und heiligenden Wirkung nicht Geringes beiträgt.

Die sinntragenden Wörter in dieser Kollekte entstammen alle dem Umkreis der Gerichtssprache, aber auch der Herrscherpanegyrik; preces sind nicht nur seit alter Zeit schon Bittgebete an Gottheiten, sondern seit der Kaiserzeit ebenso Eingaben an den Kaiserhof, in denen um besondere Vergünstigungen gebeten wird; dem entspricht die clementia, eine Eigenschaft, die typischerweise einem guten Kaiser bzw. König zugesprochen wird (ich weiß nicht, welcher Zeit die Kollekte stammt, aber je nach dem!), und zwar besonders in seiner Funktion als oberster Gerichtsherr; im mittelhochdeutschen Minnesang entspricht dem etwa die ritterliche Tugend der milte ‚Großmut, Freigebigkeit‘. Seit Cäsar ist clementia auch konkret die Strafverschonung, die durch den Kaiser angeordnet wird.

Damit sind wir auch schon bei der absolutio; was das theologisch heißt, wissen wir alle; im Gerichtsprozeß aber ist es der Freispruch, den der Richter, in späteren Zeiten aber auch der Kaiser bei einer Amnestie oder einer Begnadigung gewähren kann.

Das Bild, das wir sehen, ist das des milden, großzügigen aber allmächtigen Herrschers, der Vollmacht hat, aus eigenem Willen Urteile zu fällen und Strafen zu erlassen; wir nahen uns ihm fußfällig und tragen ihm unser Anliegen vor, das für ihn in Wirkung und Aufwand winzig ist, für uns aber alles bedeutet; wir sind von seiner Huld und Gnade abhängig; er kann uns alles abschlagen und uns unverrichteter Dinge davonschicken, aber er ist gütig.

Die absolutio steht hier in Junktur mit den vincula. Vincula sind, wie Du ganz richtig schreibst, die Bande bzw. Fesseln; im engeren Sinne und in der Alltagssprache bedeuten sie aber vor allem das Gefängnis, den Kerker: einen carcer als Gebäude gab es eigentlich nur in Rom selbst; der war eine Art Turmverlies, berüchtigt für seine angsteinflößende Dunkelheit und Einsamkeit; von ihm leitet sich das deutsche Wort Kerker her. Anderwärts gab es keinen carcer, wohl aber entsprechende Gebäude, die dann, ebenso wie die Haft, die dort vollstreckt wurde, vincula hießen; die Vorstellungen, die damit verbunden sind, sind aber dieselben wie beim römischen Gefängnis carcer.

Was man dazu noch wissen muß, ist, daß es bei den Alten keine Haftstrafe gab; die Haft diente vielmehr als Untersuchungs-, Beuge- oder Wartehaft -- wer in vinculis war, der war also entweder angeklagt, hatte Schulden, die er nicht bezahlen konnte (nebenbei: absolutio ist auch der Freikauf und das Bezahlen von Schulden), oder wartete in Schmutz, Kälte, Feuchtigkeit und Finsternis auf seine Hinrichtung, die üblicherweise direkt im Verlies mit einem Würgeeisen vollstreckt wurde. Keine schöne Lage also, sondern oft eine, aus der einen nur die Gnade einer höheren Instanz befreien konnte.

Wir lesen nun aber vincula peccatorum; welche Bedeutung hat dieser Genetiv? Sehen wir uns dazu die häufigste Junktur an, in der vincula auftritt: das ist vincula carceris, was gern mit ‚Kerkerhaft‘ übersetzt wird; diese Übersetzung ist aber nur halb richtig, denn sie bedient die deutsche Vorliebe für Abstrakta, die der (antike) Lateiner so nicht kennt: wenn einer im Gefängnis sitzt, sagen wir im Deutschen: er ist in Haft, also in einem Zustand, in dem er festgehalten wird; für den Römer dagegen ist er eben einfach im Gefängnis, an einem ganz konkreten Ort. (Wobei, wenn man es genau betrachtet, auch das deutsche Wort Gefängnis eigentlich ein Abstraktum ist, das aber auf das zugehörige Gebäude übertragen worden ist.)

Wir können also vincula carceris vorläufig mit ‚das Gefängnis des Kerkers‘ übersetzen; wie ich aber oben schon geschrieben habe, ist carcer nur der Name des römischen Gefängnis; wir müssen also eigentlich lesen: ‚das Gefängnis namens carcer‘: das Gefängnis heißt carcer, es ist der carcer. Der Genetiv, der dieses Identitätsverhältnis ausdrückt, ist der genetivus definitivus, der aus einer Junktur ihre eigene Definition macht: das Bezugswort ist dabei das genus proximum, das Wort im Genetiv die differentia specifica; man kann es so ausformulieren: Vincula carceris sunt ea vincula, quae carcer dicuntur.

Entsprechend ist es in unserer Kollekte: Vincula peccatorum sunt ea vincula, quae peccata sunt. ‚Das Gefängnis der Sünden ist dasjenige Gefängnis, das in den Sünden besteht.‘ Das Gefängnis sind also die Sünden selbst.

A peccatorum vinculis absoluti sind wir also, wenn wir sozusagen aus dem Sündengefängnis losgekauft, freigesprochen, aus den Fesseln der Sünden befreit sind. Dieses Gefängnis besteht nicht nur in unseren eigenen Sünden, sondern aus allen Sünden der gefallenen Schöpfung, in die wir durch unsere Abstammung vom sündhaften Adam verstrickt und denen wir in unserem fleischlichen Leben tagtäglich ausgesetzt sind, diejenigen Sünden, die bis zum Ende der Welt immer neue Sünden gebären werden, die es, da wir unter ihnen in dieser verkorksten Welt leben, unmöglich machen, aus eigener Kraft nicht zu sündigen.

Das Bild, das dem Beter vor Augen stehen soll, ist das des Gefängnisses, und zwar das antiken Gefängnisses, das einsam und dunkel ist und aus dem sich niemand aus eigener Kraft oder durch Abbüßen der Strafe befreien kann, sondern nur durch einen Richter, der ihn freispricht, einen Menschen, der ihn auslöst, oder durch den Henker, der ihn tötet.

Nun weiter zum letzten Teil der Kollekte, der zweiten Bitte, die wir vor unseren obersten Richter, unseren gnädigen König tragen: ab omni nos adversitate custodi. Die adversitas ist ein schönes spätlateinisches Abstraktum und wird gern mit  ‚Widerwärtigkeit‘ übersetzt – im klassischen Latein würde man hier einfach sagen: adversa ‚das Widerwärtige‘. Es kommt von adversus, wörtlich ‚zugewandt‘, und zwar in diesem Falle feindlich; die adversitates sind also die Hindernisse, die uns entgegenstehen, wenn wir etwas erreichen wollen.

Was sind das für Hindernisse, woran hindern sie uns? Der Kontext könnte nahelegen, daß sie uns am sündlosen Leben hindern; direkt ausgesprochen wird das nicht. Die Deutung kann also ebensogut ganz offen sein: Gegenstand des Hinderns kann alles sein, was uns entgegensteht, wenn wir den Weg Christi gehen wollen, einerseits natürlich die Verführung zur Sünde, aber auch (wie gesagt, ich weiß nicht, wann die Kollekte formuliert wurde) Verfolgung, Schisma, Häresie, Krieg, Hunger, Teuerung usw. usw.

Welcher Art sind die Hindernisse? Auch das wird nicht eingegrenzt, sondern ausdrücklich richtet sich die Bitte auf die Beseitigung jedes und jederlei Hindernisses, wie die nähere Bestimmung durch das Attribut omnis zeigt. Hier würde ich übrigens nicht wie Tarquinius lesen: ‚auch jegliches andere‘, nämlich mit Bezug auf die vorher genannten Sünden; ihm schweben da möglicherweise Fälle vor wie: omnis minimus auditus est ‚Jeder, auch der Geringste, wurde angehört‘. Ich glaube aber, daß es einen solchen Bezug hier nicht gibt; die peccata von zuvor sind syntaktisch und semantisch unverbunden mit den adversitates.

Die Aufforderung in der letzten Bitte lautet: custodi; wie auch in der vorigen, als participium coniunctum in die erste eingeschalteten Bitte steht sie mit einem ablativus separativus; sollten wir zunächst a vinculis absolvi, aus dem Gefängnis der Sünden befreit werden, so bitten wir nun, da wir uns das als schon geschehen vorstellen, darum, ab omnibus adversis custodiri.

Custodi: das steht nicht nur am Schluß der Kollekte, weil das bei Bittgebeten so üblich ist, sondern es enthält auch die Pointe, den ganzen Witz dieses herrlichen Gebetes. Custodire heißt nämlich ‚bewachen‘; custos ist im eigentlichen Sinne der Wächter, oder besser: der Aufpasser, der nicht durch seine Wachsamkeit, wie der eigentliche Wächter, der vigil, sondern durch seine Kraft und Stärke, durch die Gewalt, die er rechtmäßig ausübt, Schutz und Schirm sicherstellt – auch der Herrscher ist custos, nämlich der Beschirmer von Recht und Freiheit seiner Untertanen, der Verteidiger gegen äußere Feinde, gegen Verbrecher und innere Unruhen.

Natürlich sind auch Gottheiten schon seit Urzeiten Schirmer, etwa die custos urbis Minerva. Unser als wahrer Gott erkannter starker Herr, der eigentliche Ausüber dieser Schutzmacht, übernimmt den Titel custos von den Götzen der Heiden, und sein Lob erschallt wie das Lob dessen, was sich die Menschen bis dahin als Höchstes auf der Erde nur vorstellen konnten, des römischen Kaisers. Das Bild, daß wir nun ohne Kontext sehen würden, wäre wohl etwa eine Art Sankt Michael, der sich vor uns stellt und uns mit seinem Schwert vor dem Bösen bewahrt.

Ich muß nun aber auch noch die Pointe erklären, die ich versprochen habe. Die erschließt sich daraus, daß wir in der ganzen Kollekte die Sphäre der Gerichtssprache nicht verlassen; auch custodire hat hier eine spezielle Bedeutung; es heißt nämlich ‚verhaften‘! Custodia ist die Haft im allgemeinen, die polizeiliche Bewachung, ob sie sich nun in Hausarrest oder in Kerkerhaft äußert. Es kann sich aber auch um eine Schutzhaft handeln, zum Beispiel um jemanden vor einem Anschlag zu schützen: der der custodia Unterworfene bleibt zu Hause, und vor seiner Tür bezieht ein Beamter Posten und läßt niemanden ein.

Wie wir es oft sonntags im Tatort sehen können, kann sich jemand, der unter polizeilichem Schutz steht, nicht immer sicher sein, ob er nun drinnen oder draußen ist; oft kommt sich derjenige, der vor dem Verbrechen bewahrt werden soll, selbst wie ein Verbrecher im Gefängnis vor; der Schutz bedeutet für den Beschützten subjektiv immer auch eine Einschränkung der Freiheit der Lebensführung – denn diese Einschränkung ist konkret und steht direkt vor Augen, während die Bedrohung nur abstrakt und potentiell ist.

Dieses Paradoxon – die Gefangennahme zur Freiheit, der Wunsch, von einem Gefängnis ins andere zu kommen – taucht oft bei den Kirchenvätern auf. Die haben besonders in Zeiten der Verfolgung, aber auch später, angesichts der Verlockungen der Spiele, des Theaters usw., die Gewohnheit, Orte, an denen das verfolgende Heidentum seine Macht ausübt, umzudeuten: bei Cyprian, Augustin, Viktor von Vita wird die Beschimpfung auf der Straße für den Christen zum Triumphzug, die öffentliche Hinrichtung im Zirkus zum Sieg im göttlichen Agon – und eben die Gefangennahme zur Befreiung.

Es ist nicht das feindliche (adversus!) Außen, wo der Christ seine Freiheit genießen kann, sondern es ist das forum internum, der freiwillige Verzicht auf Zerstreuung, sexuellen Lustgewinn, Einfluß, Beliebtheit und ganz konkret Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum, der die Freiheit zu Gott hin garantierte.

Was den Heiden wie ein Gefängnis vorkam, die räumliche Beschränkung auf eine heimliche Kirche, eine dunkle Katakombe, das Exil, gar die Wüste, die sittliche Beschränkung auf Keuschheit, Nächstenliebe, das Annehmen ausgesetzter Kinder, das war den frühen Christen wahre Befreiung: von außen sah – und sieht – es so aus, als hielte uns Gott in Gefangenschaft, aber wir wissen, daß uns unser starker Herr, der König der Könige, der die Macht hat, alles zu vergeben, in Schutzhaft nimmt, uns vor den Anfechtungen der Welt schirmt und uns die Freiheit des Himmelreiches bewahrt.


Zum Schluß und Feinschliff möchte ich, bevor ich zur paraphrastischen Synthese schreite, noch auf zwei Kleinigkeiten hinweisen: das quaesumus ist sicherlich die allerschwächste Formulierung einer Bitte, die man sich für das Lateinische über den nackten Imperativ hinaus vorstellen kann. Die erstarrte Form des Stammes, die sich in dem bedeutungsmäßig noch lebendigen Wort quaerere durch sogenannten Rhotazismus gewandelt hat, deutet darauf hin, daß dieses Wort eher als Petrefakt, kaum mehr als eine bloße Partikel, angesehen und verstanden wurde und darum keineswegs eine so ausufernde Würdigung in der Übersetzung verdient hat wie etwa ein te rogamus, audi nos.

Die zweite Kleinigkeit ist die hypotaktische Einbindung der zeitlich ersten Bitte als participium coniunctum in die zweite. Diese Konstruktion läßt sich im Deutschen schwer nachbauen, und auch Schott hat hier stilsicher die Beiordnung gewählt. Dabei geht natürlich – wie bei jeder Übersetzung – auch etwas verloren, nämlich daß die zweite Bitte, custodi, ungleich wichtiger ist – was sich übrigens auch in der exponierten Stellung des Prädikats zeigt, das an einer ausgesprochenen Hochtonstelle des Satzes, nämlich ganz am Schluß, steht –, daß die erste Bitte quasi nur die präsupponierte, aber notwendige Bedingung für die Erfüllung der zweiten darstellt. Anders ausgedrückt: daß Gott uns von den Sünden erlöst, ist hier eh klar; wichtig und zentral ist das Beschirmen.

Nun aber zur Synthese!


Meine slavishly accurate paraphrasis würde also in etwa lauten (unrömischer erklärender Asianismus in Winkelklammern und zuhlsdorfschem Rot):
Preces nostras, quaesumus, Domine, clementer exaudi: atque, a peccatorum vinculis absolutos, ab omni nos adversitate custodi.
Unserem Gesuch, Herr, das wir Dir, Du erhabener Allherrscher und oberster Richter über alle Dinge, demütig und fußfällig vorzulegen wagen,⟩ schenke bitte huldvoll
⟨– denn auf Deine Huld, Du Friedensfürst, siegreicher Herr der Heerscharen, der Du durch Deinen Willen Welten entstehen und vergehen zu lassen vermagst, sind wir allemal angewiesen, ja ausgeliefert sind wir Dir; was wären wir ohne Deine Güte? –⟩ Gehör; und nimm uns, nachdem Du uns aus dem ⟨grauenhaft dunkeln, in seiner krankhaft feuchten Kälte von ängstigender Einsamkeit ganz beherrschten, uns völlig einengenden und uns den Weg zu Dir abschneidenden⟩ Verlies, das unsere Sünden ⟨ja⟩ sind ⟨und in dem wir ohne Deine rettende Macht unfehlbar mut- und kraftlos nur die ewige Verderbnis eines unendlich langwierigen und schmerzhaften Todes erwarten könnten⟩, befreit
hast, und nicht nur befreit, sondern losgekauft durch Deines eigenen Sohnes kostbares Blut, das Du selbst unter Leid und Schmerzen für uns vergossen hast,⟩ vor allem, ⟨und zwar wirklich vor allem,⟩ was uns entgegensteht ⟨und uns hindert, zu Dir zu kommen, o Herr, unserem einzigen Ziel und Trachten⟩, in Obhut ⟨– unter Dein leichtes Joch; in die angenehmen Bande Deiner Liebe, die Du uns schenkst und lehrst, die uns scheinbar fesseln, in Wahrheit aber frei machen; in das süße, befreiende Gefängnis Deiner heiligmachenden Gnade, das uns vor dem beschirmt, was uns auf der Welt am schrecklichsten ist, nämlich dem, was uns – wie schlimm ist dieser Gedanke! – von Dir trennt, Du lieber, starker Gott, Gegenstand unseres Sehnens, nach dessen Gegenwart wir uns so sehr verzehren⟩!

Freitag, 13. Februar 2015

UNGLAUBLICH!!!!11


Wenn das kein Scherz des Antiquars ist, kann ich mit "Vors. fehlt, Hinterdeckel ew. beschabt - innen gut" sehr, sehr gut leben! :-O

Dienstag, 10. Februar 2015

Endlich: Mein eigener Denzinger!

Das Kultbuch der Blogözese liegt tatsächlich leibhaftig auf meinem Schreibtisch! Wow!

Möge es mir nicht zur Überheblichkeit gereichen, sondern zur Weisheit in Glauben und Sitten und zu einem tieferen Verständnis der heiligen Kirche.

Danke, DareDenzinger, daß Du mich auf dieses Schatzkästlein aufmerksam gemacht hast!



Mittwoch, 4. Februar 2015

Kindersterblichkeit in Deutschland

Säuglingssterblichkeit 1913:____151,__0 auf 1.000 Lebendgeburten

Säuglingssterblichkeit 2013:____003,3 __auf 1.000 Lebendgeburten

gemeldete Schwangerschaftsabbrüche 2013:____151,0__ auf 1.000 Lebendgeburten

Quellen: Hubert: Gesch. d. dt. Bevölkerung seit 1815; Statistisches Bundesamt.
Zahlen ohne Fehl- und Totgeburten und Dunkelziffer.